Am Samstag (03.02.2024) hatte ich die Möglichkeit, eine politische Rede auf der Demo gegen Rechts zu halten. Hier wollte ich nun einmal einen ausführlichen Bericht von dem Tag teilen.
Lesedauer etwa 5 min

Bild von hna.de
8 Uhr: Der sanfte Klang meines ersten Weckers durchbricht die Stille und reißt mich aus meiner trägen Schlafphase. Mit müden Augen stehe ich auf und schlurfe zum Schreibtisch. Dort angekommen, begrüßt mich mein Kater mit einem leisen Miauen, während ich mich über meine Rede beuge, die erste Tasse Kaffee in der Hand. Meine Gedanken kreisen um die Worte, die ich gleich vor Publikum sprechen werde, und ich übe sie leise vor mich hin. Mein Kater, ein stiller Zuhörer, springt auf meinen Schoß und schenkt mir mit seinen großen Augen Zuversicht. Nach einer kurzen Streicheleinheit setze ich ihn behutsam wieder auf den Boden und beginne langsam, mich für den Tag fertig zu machen. Dank des Kaffees erwacht langsam meine Energie, und als meine Kontaktlinsen endlich an ihrem Platz sitzen, wiederhole ich die Rede ein weiteres Mal.
10 Uhr: Ich bin auf dem Weg zum Bus und schon jetzt spüre ich die volle Aufregung. Ich hole meine ausgedruckte Rede bei einem Kumpel ab und danach geht's zum Hauptbahnhof, um Karteikarten und meine beste Freundin zu holen. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg in mein Lieblingscafé, um die dritte Tasse Kaffee zu trinken und die Karteikarten vorzubereiten.
11:30 Uhr: Als wir den Friedrichsplatz erreichen, werden wir von einem leichten Regenschauer begrüßt. Dieser nasse Beginn trübt die Stimmung ein wenig, und abgesehen vom Organisations-Team ist niemand vor Ort. Nach und nach treffen die Ordner ein und erhalten ihre Einweisung für den Tag. Plötzlich spricht mich ein älterer Herr an, der sich darüber wundert, dass die Teilnehmer noch nicht zahlreicher sind, obwohl es bereits Viertel nach zwölf ist. Wir kommen ins Gespräch, und er enthüllt, dass er drei Jahre alt war, als der Krieg endete, und er sich noch genau an die Momente im Bunker erinnert, wo er mit seiner Mutter Schutz suchte. Seine lebendigen Erzählungen berühren mich zutiefst und lassen Tränen in meine Augen steigen. Ein Leben lang hat er als Schneider für Damenmode gearbeitet, bevor er die letzten 13 Jahre seiner beruflichen Laufbahn als Kostümbildner am Staatstheater verbrachte. Ein wahrhaft bewundernswerter Mensch.

12.30 Uhr: Noch immer regnet es, aber nach und nach kommen mehr Demonstranten am Friedrichsplatz an, die meisten haben Regenschirme dabei, weshalb ich mich ärgere, selbst nicht dran gedacht zu haben. Aber na, ja, bisschen Regen schadet ja nicht.
13 Uhr: Die Kundgebung beginnt. Der Organisatoren eröffnen die Demonstration und ich stehe in erster Reihe vor der Bühne. Meine Beine schlackern und die Nervosität wird immer größer. Doch die inspirierenden Reden der anderen Redner und die Musiker holen mich ein wenig aus der Nervosität heraus.
14:10 Uhr: Gleich ist es soweit und ich kann meinem Vorredner kaum noch zu hören. Die Moderatorin holt mich kurz vor Ende seiner Rede seitlich auf die Bühne und fragt, wie es mir geht. "Ich habe Angst, aber ehrlich gesagt, gerade ist die Vorfreude größer", erwidere ich und mein Blick wandert auf die Karteikarten. Einmal tief durchatmen, sage ich mir selbst. Der andere Moderator heizt die Stimmung mit Demosprüchen auf. "Alle zusammen gegen den Faschismus!", tönt es von über 5.000 Demonstranten. Dann werde ich anmoderiert.
14:15 Uhr: Ich gehe nach vorne ans Mikro und bin erstmal überwältigt von der Menschenmasse, die sich vor mir befindet. "Ach du, Heiland seid ihr viele!", ist das erste, was ich sage. Erneut tief durchatmen und dann lege ich los. Kaum hatte ich zwei Absätze gesprochen, werde ich von tosenden Applaus und Jubel unterbrochen. Und so geht es weiter. Ich teile meine Wut mit all diesen Menschen, während ich darüber spreche, wie nahezu jeder eine Migrationsgeschichte hat und wie auch queere Menschen und Menschen mit Behinderungen von rechten Strömungen betroffen sind. Nach sieben Minuten ist alles vorbei, doch das Adrenalin lässt nicht sofort nach. Immer wieder kommen Menschen auf mich zu und bedanken sich für meine Rede. All die lobenden Worte machen mich sprachlos und vor allem dankbar.
14:45 Uhr: Die Kraft der Solidarität manifestiert sich in Form einer beeindruckenden Menschenkette, die sich symbolisch als Brandmauer gegen rechts aufstellt. Die Verbundenheit und Entschlossenheit der Teilnehmer ist förmlich greifbar, während wir uns gemeinsam für unsere Werte und Überzeugungen einsetzen. Mit dem Ende der Demonstration strömen immer mehr Menschen auf mich zu, und ich finde mich in einer Vielzahl von Gesprächen wieder. Von Herzen führe ich angeregte Unterhaltungen mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Ansichten. Wir teilen Geschichten, lachen zusammen und diskutieren über die Herausforderungen, denen wir gemeinsam gegenüberstehen. In diesen Momenten spüre ich die Wärme der Gemeinschaft und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, gestärkt durch unsere Einigkeit und den Glauben an Veränderung.
An dieser Stelle möchte ich von ganzem Herzen dem unglaublich großartigen Organisations-Team meinen Dank aussprechen, das mir diese wundervolle Gelegenheit ermöglicht hat. Eure Hingabe und eure unermüdliche Arbeit haben es möglich gemacht, eine so beeindruckende Kundgebung in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen! Es ist wirklich bewundernswert, wie ihr es geschafft habt, so viele Menschen zusammenzubringen und eine Atmosphäre der Solidarität und des Engagements zu schaffen.
Ein ebenso großes Lob gebührt den talentierten Musiker*innen und Redner*innen, die mit ihren Beiträgen unsere Herzen berührt haben. Ihre Worte und ihre Musik haben uns alle inspiriert und dazu bewegt, über unsere eigenen Grenzen hinauszudenken und gemeinsam für eine gerechtere Welt einzutreten.
In einer Zeit, in der rechte Strömungen und Diskriminierung leider noch immer präsent sind, ist es entscheidend, dass wir stark bleiben und uns vereinen, um diesen Kräften entschlossen entgegenzutreten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass und Spaltung die Oberhand gewinnen. Lasst uns gemeinsam für eine Welt kämpfen, in der jeder Mensch respektiert und geschätzt wird, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Glauben. Denn nur gemeinsam können wir eine Zukunft gestalten, die von Frieden, Gerechtigkeit und Mitgefühl geprägt ist.

Bild: Debbie Samonte
Hier ist einmal einmal die ganze Kundgebung! Danke an den Creator!
Und hier nochmal meine Rede auf Instagram!
Kommentar hinzufügen
Kommentare